Der
Mann sieht jünger aus, als er ist, und jung wirkt auch seine
Kunst: "Raumzeit" heißt die Ausstellung, für
die der 71-jährige Gerhard Böhm aus Himmelkron 158(!)
Arbeiten aus mehr als 40 Jahren zusammentrug; am Montag abend
(29.04.2002) wurde sie vor viel Publikum in der Galerie im
Gerstenboden des Hofer Kunstvereins eröffnet. Zwei
Saxofonisten, Marek Olszowka und sein
Sprössling Adam, zehn Jahre alt, spielten auf Böhms
Lieblingsinstrument: und ein Schauspieler, Martin Neubauer
aus Bamberg,
trug einenText des Dichters Clemens von Brentano vor, in welchem
diverse Damen und Herren, anlässlich einer Vernissage, zu
Caspar David Friedrichs "Mönch am Meer" sich
äußern. Das ist Satire, doch nicht frei von klugen
Sätzen wie diesen: "Er weiß, was er malt"
und" Er malt, was er weiß".
HOF - Auf Gerhard Böhm - der bis 1993, 22 Jahre lang,
Professor an der Textilfachhochschule in Münchberg gewesen
ist - trifft beides sichtlich zu. "Sternplatz" heißt
eines seiner Großformate, "Wiese Welt' ein
anderes: komplexe Bildgefüge, die unsere Gegenwart als etwas
letztlich nicht Durchschaubares interpretieren. Um vibrierende
Kompositionen zwischen Chaos und System handelt es sich. Das
Disparate wird in einem großen, monströsen Netzwerk
zusammengeschaut, um, wie Böhms Münchberger
Professoren-Kollege Klaus Schröter einmal deutete und lobte,
zum "Gleichnis einstürzender Weltordnung" zu
werden.
Gleichwohl gibt uns der aus Crailsheim stammende Böhm keine
eindeutigen "Botschaften" mit auf den Weg. In erster
Linie wollen die Bilder nicht "bedeuten ", sie wollen
Mitteilungen sein durch Farbe und Form und als solche bewegen.
"Form wahrnehmen, heißt bewegt sein, und bewegt sein,
heißt formen", hat der Bauhaus-Professor Johannes
Itten gesagt, dem wir eine vorbildliche Kunstlehre verdanken.
Böhm, der an der Akademie in Stuttgart studierte und auch
Gast bei Willi Baumeister war, hat, in München, bei Itten
Kurse besucht und von ihm mitgenommen: "Form ist Bewegung in
Zeit und Raum."
Er wisse, sagt er, wenn er ein Gemälde wie
"Sternplatz" beginne, gar nicht, was daraus werden
solle. Nur ein Kompositionsgerüst sei vorhanden, alles
Weitere geschehe "aus dem Kopf und spontan". |
Aber natürlich hat
er sein Vokabular. Gitter zählen dazu, auch Menschen als
Silhouetten und rotweiße Markierungen, die Signal geben in
der Natur wie im Dickicht der Städte. Dass diese Zeichen
früh schon vorhanden waren, kann man in einem kleinen
Kabinett im Obergeschoss der Ausstellung sehen. Und in anderen
Abteilungen sieht man die Fortentwicklung; es ist, als würde
aus kurzen Erzählungen ein großer Roman, eine
Schilderung nun in vielen Brechungen und Farben - und in der Tat
lässt sich Böhms Handschrift auch an seiner das ganze
Spektrum entfaltenden Farbgebung erkennen.
Freilich, sogar eher monochro- me Resultate sind vertreten in
dieser Schau. Aber gern spielt Böhm, auch nicht
gegenständlich, das volle farbliche Kontrast programm aus.
Eine Reihe sehr harmonischer, großzügig
linienbestimmter Abstraktionen zeigt er hier vor. Und nun, in aller
jüngster Zeit, ist er" konkret" geworden. Aus der
immer schon vorhandenen Lust am Konstruktiven sind
"Raumfarben" und "Farbräume" entstanden,
mit weichen, nuancierten Übergän gen - meditative
Bilder, in denen Ruhe herrscht und doch die Bewegung nicht endet:
ein "Alterswerk" der erfrischendsten Art.
Auch als Zeichner imponiert der Künstler: Zu
"Tageszeichnungen" und der Chronik "Life is
live" lässt er sich von den Zeitläuften, auch von
der Zeitung anregen. Mit sicherem, klarem Strich findet er die
gute und schöne, dabei meist surreale Form; zuweilen
integriert er bekannte Gesichter und fast immer gemischte
Gefüh le. Auch Witz und Poesie spielen stets eine Rolle. Und
Offenheit herrscht: Nicht eingeschränkt werde, so sagte es
Kunstvereins Chefin Sabine Böhm, die Freiheit des
Betrachters.
Was der sich bei alldem denken mag, kommentiert sarkastisch der
erwähnte Brentano-Text: "Gut, dass Bilder nicht
hören können." Aber reden können sie
möglicherweise. Gerhard Böhm jedenfalls sagte bei der
Ausstellungseröffnung: "Fragen Sie meine Bilder. Sie
antworten Ihnen." Er selber will noch einmal bei der
Finissage Auskunft geben - am 26.Mai zwischen 14 und 17 Uhr. |